Sibirien. Viele haben das Wort schon mal gehört und vielleicht auch recherchiert, wo Sibirien liegt. Aber wie leben die Menschen dort? Wie sieht der Alltag in kleinen Ortschaften aus, 3500 Kilometer von der russischen Hauptstadt entfernt und 1500 Kilometer hinter dem Ural?
Ich bin in einer kleinen Stadt mit 12000 Einwohnern aufgewachsen. Meine Eltern haben ein Grundstück mit einem mittelgroßen Garten. Im Garten wachsen während der warmen Jahreszeiten Kartoffeln, Tomaten, Gurken, Weißkohl, Zwiebeln, Äpfeln, Erdbeeren und manchmal noch andere Früchte. Meine Eltern (und ich früher) haben schon immer selbst Gemüse angebaut und dann für den Winter in 3-Liter-Gläsern Gurken und Krautsalat eingelegt, Tomatensaft und Obstmarmeladen gemacht. Die Ernte reicht meistens dann für das ganze Jahr aus. Aus dem eigenen Garten schmeckt alles auch viel besser! Und du weißt dann auch, du hast keine Chemie verwendet, alles hat die Bio-Qualität und ist in der Sonne gereift. Und wissen Sie, wie die echte Milch schmeckt, direkt aus einer Kuh? Früher haben wir in unserem Stall eine Kuh, Schweine und Hühner gehabt. Die Kuh hieß Marta, weil sie in einem März (auf russisch "Mart") geboren wurde. Ich habe oft Marta morgens zur Weide gebracht und sie abends wieder abgeholt. Die echte Milch hat einen großen Fettanteil und schmeckt auch ganz anders, sie ist ja frisch und war nicht pasteurisiert. Meine Eltern haben auch Quark und Käse selbst produziert. Das war Anfang der 2000er. Mittlerweile lebt im Stall kein Tier mehr. Die Eltern sind nicht mehr so jung und das Futter ist viel teurer geworden. Eigenes Vieh rentiert sich für sie nicht mehr.
Im Sommer gehen viele Leute Wald-Erdbeeren sammeln, im Herbst Pilze. Aber fischen kann man das ganze Jahr. Bei der Kälte bis zu -43 Grad bildet sich eine dicke Eisschicht auf dem Gewässer. Man bohrt nur eine Wune (ein Loch) und baut meistens ein kleines Zelt auf, sonst ist es zu kalt. Wer kein Fischer ist, kann frisch gefangenen Fisch auf dem Markt kaufen.
Die Leute dort, in meiner Heimat, kennen kein anderes Leben. Sie haben nie argentinisches Rindfleisch oder den spanischen Serrano-Schinken gesehen. Und vermissen das auch nicht. Und im Sommer machen die meisten Urlaub nicht an der Côte d’Azur oder auf der türkischen Riviera, sondern am Kolywanskoje-See (auf dem Foto) oder im Altaigebirge.